Karl Kases

Leseprobe

"Ich höre, du reißt Dein Maul zu weit auf"

Das Echo der furchterregenden Stimme arbeitet sich dumpf durch die tiefsten Tiefen der historischen Bodega. Dutzende alte Weinfässer stehen aufgereiht an einer Wand. Von der Mitte aus spannen sich gewaltige Bögen aus Mares-Gestein, von überdimensionalen Säulen getragen, quer durch das wuchtige Gebäude. Ein trüber Kristalllüster verstreut spärliches Licht.

„Ich höre, Du reißt Dein Maul zu weit auf”, donnert es abermals durch die düstere Halle. Dimitri versucht die Stimme zu orten, aber durch das Echo ist das unmöglich.

„Du weißt, dass ich Dich immer sehr geschätzt habe, ich habe Dir alles ermöglicht und gegeben, Dich beschützt und bezahlt, aber nur unter einer Bedingung ...”

Die Stimme in der Dunkelheit scheint erschöpft zu sein. Doch nach einem tiefen lauten Gurgeln und einem darauffolgenden Ausspucken kommt sie mit doppelter Wucht zurück,

„... dass Du Dein Maul nicht zu weit aufreißt, Arschloch!”

Nachdem sich Dimitris Pupillen weit genug geöffnet haben, erkennt er die Umrisse eines riesigen Schreibtisches, an dem ein schwitzender Koloss sitzt - ohne ein Haar auf dem Kopf, in einen Nerzmantel gehüllt, obwohl es Sommer ist. Seine Exzellenz Rinaldo Franziskus Puig. Er ist Dimitris Gottvater, sein Auftraggeber, den er aber noch nie zu Gesicht bekommen hat. Die geheimnisumwobene Figur auf Mallorca schlechthin, der Meister der dunklen Geschäfte.

Eine edle Karaffe mit Rotwein steht vor ihm auf der lederbespannten Fläche des Tisches. Er füllt sein Glas auf, nippt daran, gurgelt und spuckt in einen Blecheimer auf dem Boden. Mühevoll erhebt er sich und durchquert schleppenden Schrittes den Raum direkt zu einem kleinen Fass. Mit weißer Kreide markiert er die römische Zahl XV auf den Dauben.

„Setz dich”, befiehlt er und schleudert Dimitri mit dem Fuß eine alte Holzkiste hin.